Zucker, Zucker

Zucker, die Zahlen

Weltweit wurden 2020/2021 fast 180 Millionen Tonnen Zucker produziert, 20,6% aus Rübenzucker und 79,4% aus Rohrzucker. Brasilien ist der Hauptproduzent von Rohrzucker. Rund zwei Drittel des weltweit erzeugten Zuckers werden direkt in den Erzeugerländern verbraucht. Nur ein Drittel des Zuckers wird auf dem Weltmarkt gehandelt.
Innerhalb der EU ist Deutschland nach Frankreich der zweitgrößte Zucker-Produzent und aufgrund seiner hohen Bevölkerungsanzahl das EU-Land mit dem höchsten Zuckerverbrauch. In Italien nimmt jeder Mensch jährlich durchschnittlich 27 Kilogramm Zucker zu sich, in Deutschland sind es rund 34 kg. Der höchste Pro-Kopf-Verbrauch wird mit jährlich 71,8 kg aus Kuba gemeldet, in China hingegen liegt er bei 8 kg pro Kopf und Jahr.

Zucker, der Begriff

Das Wort Zucker stammt laut Überlieferungen aus dem Sanskrit vom Wort „śárkarā“ ab, was so viel wie „süß“ bedeutet. Chemisch gesehen ist Zucker Saccharose, bestehend aus einem Molekül Glukose (Traubenzucker) und einem Molekül Fruktose (Fruchtzucker).

Zucker, der Markt

Auf dem globalen Markt wird nur ein Drittel der weltweit erzeugten Zuckermengen gehandelt. Der größere Teil wird entweder in den Erzeugerländern selbst verbraucht oder abseits vom Weltmarkt innerhalb von Abkommen mit Quoten und Präferenzen gehandelt. Weil also nur die Überschüsse auf dem Weltmarkt verkauft werden, ist der Markt von starkem Überschuss, von Mangelsituationen und Preisschwankungen gekennzeichnet.

Zucker, die Geschichte

Bereits im 7. Jahrhundert haben die Araber die ersten dokumentierten Zuckerrohrplantagen angelegt und daraus Zucker gewonnen. Das Lebensmittel war ein Luxusgut und gelangte über die Seidenstraße zum damals wichtigsten Hafen Venedig, von wo aus Zucker nach ganz Europa transportiert wurde. Als Spanien den amerikanischen Kontinent zu kolonialisieren begann, wurden Zuckerrohr-Schösslinge in die Karibik gebracht, worauf die kolonisierte Inselregion im 16. Jahrhundert zum Hauptexporteur von Rohrzucker wurde. Europa war jahrhundertelang auf den Import angewiesen, weil Zuckerrohr tropisches Klima verlangt. Das änderte sich zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als die wilde Rübe gezielt mit einem erhöhten Gehalt an Saccharose gezüchtet wurde. Dabei entstand die Zuckerrübe, wie wir sie kennen. Heute ist die Europäische Union mit einem rund 50-prozentigen Anteil an der Gesamterzeugung die weltweit größte Produzentin von Rübenzucker, wobei Frankreich der größte und Deutschland der zweitgrößte Rübenzucker-Hersteller ist.

100000 Tonnen
Weltweite Produktion von Zucker (2020/2021)
0 Kilogramm
jährlicher Pro-Kopf-Konsum von Zucker in Italien

Zucker, das läuft falsch im Handel

79 Prozent des global erzeugten Zuckers wird aus Zuckerrohr gewonnen. Trotzdem leben die Zuckerrohr-Bauernfamilien in Armut. Sie können oft nicht die Produktionskosten abdecken. Der im Zuckerrohr übliche Pestizideinsatz schadet Mensch und Umwelt. Der Weltmarktpreis für Zuckerrohr unterliegt extremen Schwankungen, da er von Machtkonzentration örtlicher Zuckerbarone und international agierender Zuckerkonzerne gekennzeichnet ist. Die EU-Zuckerpolitik führt zu einer schwierigen Konkurrenzsituation zwischen europäischen Zuckerproduzent*innen und kleinbäuerlichen Familien aus Afrika, Asien und Lateinamerika, deren Existenzgrundlage vom Zuckeranbau abhängt. Die neue Zuckermarkt-Verordnung, die 2017 in Kraft getreten ist, verschlimmert die Lage. Fairer Wettbewerb findet nicht statt.

Zucker, der faire Unterschied

Zucker, die Produktion

Aus Rohr und Rüben

In 127 Ländern der Welt wird Zucker aus Rüben oder Rohr gewonnen. Zuckerrohr, das in 79 Staaten angebaut wird, spielt dabei die deutlich wichtigere Rolle. In der EU liegt die eigentliche Zuckerproduktion in den Händen sehr weniger Firmen: Der mit etwa 22 % Marktanteil unangefochtene Marktführer ist Südzucker. Zu den Abnehmer*innen für den Zucker gehören zahlreiche Industriezweige. Der mit Abstand größte Teil geht in die Lebensmittelindustrie und dort in erster Linie in die Süßwarenherstellung und die Getränkeindustrie. Zuckerrübenanbau wird in 38 Staaten betrieben, mit China und den USA kultivieren zehn Staaten beide Zuckerpflanzen. In der Europäischen Union bauen etwa 300.000 Landwirt*innen Zuckerrüben an. Zusammen erzeugen sie jährlich etwa 20 Millionen Tonnen Weißzucker. Davon stammen acht Millionen Tonnen allein aus Deutschland und Frankreich, die vor Polen, Italien und Großbritannien die mit Abstand größten Zuckerproduzenten der EU sind.

Zuckerrohr

Das bis zu 7 m hohe Zuckerrohr gehört zur Familie der Gräser. Das Mark seiner bis zu 5 cm dicken Halme enthält zwischen 9 und 20 % Zucker. Die Tropenpflanze wird nicht mit Samen, sondern mit Stecklingen vermehrt. Nach der Ernte keimen die im Boden verbliebenen Teile der Sprossachse erneut aus. Zuckerrohr braucht Temperaturen über 20 °C und hat einen hohen Wasserbedarf, der gegebenenfalls künstliche Bewässerungssysteme notwendig macht. Es braucht nährstoff- und humusreiche Böden, die viel Wasser aufnehmen und ableiten können.
Die wichtigsten Zuckerrohrgebiete der Welt liegen in Indien, Brasilien, Thailand, China, Australien, Mexiko, Kuba und den USA. Die Pflanze wird aber auch in Lateinamerika und Afrika kultiviert.
Die Ernte kann maschinell erfolgen, wird aber überwiegend von Hand erledigt. Es gilt, das Rohr möglichst nahe am Boden abzuschlagen. Die unteren, ältesten Teile der Pflanze enthalten den meisten Zucker, während in der Spitze der Halme weniger enthalten ist. Nach dem Schlagen muss das Zuckerrohr schnell verarbeitet werden, da der Zuckergehalt durch die weiterlaufende Zellatmung sofort zu sinken beginnt. Die Pflanze dient zu mehr als der Hälfte als wichtigster Ausgangsstoff für die Herstellung von Haushaltszucker. In jüngster Zeit wird sie zunehmend auch für die Herstellung von Bioethanol genutzt. Durchschnittlich werden auf einem Hektar rund 85 Tonnen Zuckerrohr geerntet, das entspricht etwa 13.000 Kilogramm Zucker oder 7.100 Litern Ethanol. Nach Soja sind Zucker und Ethanol die zweitwichtigsten Exportschlager Brasiliens. Von den billigen Preisen profitieren auch die Verbraucher*innen in Europa. Dank staatlicher Unterstützung in Milliardenhöhe, dank vorteilhafter Zinsen für Kredite und einem garantierten Absatzmarkt wächst die Macht der Zuckerbarone unaufhörlich. 77.000 Tonnen Pestizide wurden laut Branchenverband SINDIVEG 2013 auf brasilianischen Zuckerrohrfeldern versprüht, darunter Substanzen wie Glyphosat und 2,4-D, aber auch Atrazin oder Paraquat, die in der EU gar nicht mehr zugelassen sind.

Zuckerrübe

Die Zuckerrübe ist im gemäßigten Klima zu Hause. Nach der Aussaat im Mai wächst sie im warmen Klima mit mäßigen Niederschlägen. Auf durchlässigen, humus- und nährstoffreichen Böden wächst aus dem Samen oberirdisch im ersten Jahr eine niedrige Blattrosette, während sich unterirdisch der zwischen 700 und 900 g schwere, zuckerhaltige Rübenkörper entwickelt. Die Rüben enthalten zwischen 16 und 19 % Zucker, wenn sie ab Oktober geerntet werden. Vollautomatische Erntemaschinen schlagen noch auf dem Feld die Blätter und den Kopf von den Rüben. Diese werden verfüttert oder bleiben als Dünger auf den Feldern. Die Rübenkörper müssen hingegen schnell zu den Zuckerfabriken transportiert werden, da der Zuckergehalt der Rüben nach der Ernte stetig abnimmt. Es ist nicht möglich, Zuckerrüben zu lagern.

Zucker, der braune und der weiße​

Brauner Zucker ist ein Zwischenprodukt, bevor weißer Zucker entsteht. Brauner Rohzucker ist noch von der Siruphülle umschlossen und hat daher einen leicht karamellartigen und malzigen Geschmack. Weißer, raffinierter Zucker ist geschmacklich neutral. Beide Zuckersorten haben einen ähnlichen Kalorienanteil und gleich viele Kohlenhydrate.

Zucker, die Melasse

Auch Vollrohrzucker entsteht aus Zuckerrohr, das ausgepresst, gefiltert und zu Sirup eingekocht wird. Ohne weitere Behandlungsschritte wird die Masse nach dem Abkühlen vermahlen. Wie der Rohrohrzucker enthält er Melasse. Zuckerrohrmelasse enthält zudem einen kleinen Anteil an Eiweiß, hat einen guten Kalzium-, Kalium-, Eisen- und Zinkgehalt. Zudem ist Melasse reich an Aromastoffen und natürlichen Farbstoffen, die ein antioxidatives Potential haben und sich deshalb positiv auf die Gesundheit auswirken können. Doch auch in diesem Fall gilt behutsamer Umgang: Zucker ist energiereich und somit sind andere natürliche Lebensmittelgruppen wie Gemüse und Obst geeigneter für eine optimale Aufnahme an Antioxidantien.

Zucker, die Verarbeitung

Die Verarbeitung erfolgt in drei Schritten, wobei zwischen Zuckerrohr oder Zuckerrüben unterschieden wird.

1) Extraktion:

Das Zuckerrohr wird geschnitten und gepresst, indem es durch Walzen geführt wird, die den Saft extrahieren. Dabei entsteht Sirup oder Melasse, welcher sich absetzt und durch Verdampfen des gesamten Wassers konzentriert wird. Das Ergebnis ist Vollrohrzucker. Um Zucker aus Rüben zu gewinnen, werden die Rüben bei etwa 80 °C sehr lange gekocht. Der entstandene Sirup wird anschließend durch Verdampfen des Wassers konzentriert.

2) Reinigung und Konzentration:

Von diesem Zeitpunkt an gibt es keinen Unterschied mehr zwischen der Herkunft des Zuckerrohrs oder der Zuckerrübe. Das extrahierte Material ist dasselbe: Vollzucker. Dieses wird bei hohen Temperaturen mit Kalkmilch und Branntkalk gereinigt. Die alkalische Reaktion und das Kochen zerstören Vitamine, Proteine und Enzyme und beseitigen Kalziumsalze. Um überschüssigen Kalk zu entfernen, wird der Zuckersaft mit Kohlendioxid behandelt. Anschließend wird die Flüssigkeit in einem kontinuierlichen Koch-, Kühl-, Kristallisations- und Zentrifugal-Prozess gebleicht. Ergebnis ist ein roher, bräunlicher, grob kristallisierter Zucker.

3) Raffination und Kristallisation

Der Rohzucker wird mit Tierkohle und schwefliger Säure behandelt, um ihn weiter zu filtern und zu entfärben. Anschließend wird er mit einem aus Teer gewonnenen Farbstoff gefärbt, um klassischen weißen Zucker zu erhalten.

Zucker, die Gesundheit

Zucker ist vordergründig ein Energielieferant. Zucker gibt vor allem dem Gehirn und den Muskeln, aber auch anderen Organen Energie. Wahrscheinlich wurde uns Menschen die geschmackliche Präferenz für den Süßgeschmack daher in die Wiege gelegt, also pränatal entwickelt. Süß bedeutet für den Menschen unbewusst Energie, Kraft und Sicherheit. Zucker beziehungsweise Kohlenhydrate können vom Körper in Form von Glykogen gespeichert werden. Diese Speicherung findet in der Leber und im Muskel statt.

Zucker, die Verträglichkeit

Zucker ist kein Gift. Wie ein Nahrungsmittel wird er im Körper verdaut, aufgenommen und als Energie im Zellstoffwechsel genützt. Dieselbe Energie liefern uns auch andere kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel wie Getreide und daraus entstehende Produkte wie Nudeln, Brot sowie Knolle wie Kartoffeln. Auch Obst enthält Zucker, natürlichen Einfachzucker, das heißt Glukose und Fruktose, die im Körper als Energielieferanten genützt werden. Deshalb ist es nicht lebensnotwendig, Zucker und zuckerhaltige Speisen zu essen.

Wenn ungesunde Essgewohnheiten überhandnehmen und der Mensch zu viel Zucker aufnimmt, zum Beispiel über ständiges Snacken von Süßigkeiten oder tägliches Durstlöschen mit zuckerhaltigen Getränken, kann Zucker die Gesundheit gefährden. Eine hohe Zuckeraufnahme kann Zahnkaries und Übergewicht provozieren, was wiederum Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Herzkreislauferkrankungen verursachen kann.

Die World Health Organization (WHO) empfiehlt eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 % der Gesamtenergiezufuhr. Als „freie Zucker“ sind Zucker (Saccharose, Rübenzucker und Rohrzucker) sowie Einfachzucker gemeint, die Hersteller Lebensmitteln zusetzen, außerdem der in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich vorkommende Zucker. Bei einer geschätzten Gesamtenergiezufuhr von 2000 kcal pro Tag entspricht diese Empfehlung einer maximalen Zufuhr von 50 g freien Zuckern.

Zucker, wo er enthalten ist

Besonders reich an Zucker sind Süßigkeiten und Getränke wie Limonaden, Fruchtsäfte und nicht-alkoholische Aperitifs. Zucker wird auch vielen Nahrungsmitteln zugefügt, um deren Geschmack zu verbessern, beispielsweise in eingelegtem Gemüse, in Ketchup, Senf, Brot, Crackers, Fertiggerichte, Fertigsoßen oder Fruchtjoghurts. Dieser Zucker wird versteckter Zucker genannt, da er nicht sichtbar ist und uns oft nicht bewusst ist, dass in diesen meist salzig schmeckenden Lebensmitteln Zucker enthalten sein könnte. Auch in Obst und Gemüse sind Kohlenhydrate vorhanden, vor allem in Form von Glukose und Fruktose.

Zucker, der Ersatz

Alternativen Süßungsmitteln wird oft eine förderliche gesundheitliche Wirkung zugeschrieben, während der weiße Rübenzucker und der Rohrzucker als „giftig“ oder „gesundheitsschädlich“ abgewertet werden. Was den Energiegehalt betrifft, sind alle Zuckerarten gleichwertig: 1 g Kohlenhydrate liefert 4 Kcal. Eine Ausnahme stellen Süßstoffe dar, welche 0 kcal, das heißt keine Energie liefern. Trotzdem sind Süßstoffe als Süßungsmittel nicht zu empfehlen. Betrachtet man die Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, den sogenannten Glykämischen Index, so ist dieser bei der Aufnahme von weißem Zucker, Rohrzucker und Ahornsirup ähnlich, während der Blutzuckerspiegel nach der Aufnahme von Reissirup stark ansteigt. Währenddessen hat Agavendicksaft einen niederen Glykämischen Index: Die Blutzuckerkurve steigt weniger schnell an, weil Agavendicksaft mehr Fruchtzucker enthalten. Das kann ein Vorteil für Personen mit Diabetes mellitus sein, aber für alle anderen Konsument*innen nicht.

Zucker, die Mineralstoffe

Unabhängig davon, ob weißer Rübenzucker oder Zuckerrohr: Die Aufnahme an Saccharose, also an Energie ist dieselbe. Bei beiden Zuckerarten werden also gleiche Mengen an Kalorien aufgenommen. Zuckerrohr enthält im Vergleich zu weißem Zucker einen höheren antioxidativen Potential, was sich präventiv auf die Entstehung verschiedener Krankheiten auswirken kann. Die Menge an Antioxidantien ist jedoch verhältnismäßig gering (höher bei einer Portion Obst oder Gemüse). Der Gehalt an Mineralstoffen ist beim Rohrzucker höher als beim weißen Zucker. Der Gehalt an Mineralstoffen im nicht kristallisierten Rübenzucker ist ebenso höher als beim weißen Zucker. Wird der Aspekt des Genusses berücksichtig, so enthält Rohrzucker mehr Aromastoffe als weißer Zucker. Diese Aromastoffe geben einer Speise besonderen Geschmack und führen zu einem intensiveren Genuss.

Zucker, fair gehandelt aus Ecuador

Das Reservat Chocó Andino liegt auf einer Höhe zwischen 360 m und 4.480 m über dem Meeresspiegel, umfasst eine Fläche von 286.000 Hektar und macht etwa ein Drittel der ecuadorianischen Provinz Pichincha aus, zu der auch die Gemeinde Pacto gehört. Der Regenwald, der dieses Gebiet bedeckt, beherbergt rund 350 Vogelarten, hunderte von Orchideen und Bromelien sowie 100 Säugetierarten, darunter den Brillenbär. Vor zwanzig Jahren veranlassten die Isolation, die geringe Produktivität und das Fehlen einer nationalen Entwicklungspolitik die Zuckerrohrbauern, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen. Heute hat sich der Zugang zur Hauptstadt verbessert. Eine asphaltierte Straße ermöglicht es, bis nach Pacto vorzudringen. Schotterstraßen, die in der Regenzeit aufgrund von Erdrutschen oft unpassierbar sind, kennzeichnen das Gebiet genauso wie die geringe Lese- und Schreibfähigkeit der erwachsenen Bevölkerung, die sich bei den jüngeren Menschen deutlich verbessert hat. Sie endlich Zugang zu neuen Schulen, die in der Region gebaut wurden.

„Der faire Handel hat unser Leben verändert. Früher waren wir gezwungen, den Preis zu akzeptieren, den Zwischenhändler uns diktiert haben. Wir haben unter sehr prekären Bedingungen gearbeitet und dafür keine fairen Preis bekommen. Wir sind inzwischen alle überzeugt von der Genossenschaft. Die Rechte sind für alle gleich, alle Mitglieder genießen dieselben Bedingungen – ohne Bevorzugung, auch wenn wir unterschiedliche Mengen an Zucker produzieren."
Rubèn Tufiño
Direktor von Copropap

Die Cooperativa Productores de Panela El Paraiso (Copropap) wurde 1991 auf Initiative von mehreren Bauernfamilien gegründet, die seit Generationen auf kleinen, steil abfallenden Böden auf einer Meereshöhe zwischen 900 und 1.400 Metern Zuckerrohr angebaut haben. Heute gehören der Genossenschaft 49 Mitglieder an, kleine Anbauuer*innen und Hersteller*innen von Panela, einem biologischen Vollkornzucker mit charakteristischem Honigaroma. Er entsteht durch das händische Pressen des Zuckerrohrs. Die bäuerlichen Familien bewirtschaften Anbauflächen zwischen 4 und 6 ha. Günstige Boden- und Klimabedingungen ermöglichen es den bäuerlichen Familien, das ganze Jahr über Zuckerrohr zu ernten, zehn Monate lang im Jahr.

Die Verarbeitung von Panela erfolgt handwerklich: Die Familien führen jeden Schritt selbst durch. Bei der Ernte trennen sie die Stängel mit einer Machete von den Blättern und Enden und bringen die Stängel zu kleinen motorgetriebenen Mühlen. Dort wird der Saft mechanisch aus den Stängeln gepresst und eingedampft. Die sonnengetrockneten Zuckerrohrreste werden als Brennstoff für die Mühlen verwendet.

Der einzigartige Zucker mit dem Honig-Aroma ist biologisch angebaut und reich an Eisen und Mineralsalzen. Die Genossenschaft Copropap arbeitet effizient, professionell, dynamisch und ist demokratisch organisiert. 20 Jahre lang haben die Bauern hart daran gearbeitet, die Qualität ihres Zuckers zu verbessern und den Nutzen für die Mitglieder zu steigern. Von der ersten Ausfuhr ihres Zuckers „Dulcita“ im Jahr 1995 bis zum Erlangen der Bio-Zertifizierung und dem Bau einer Halle für die Verarbeitung und Lagerung des Zuckers gab es mit Unterstützung von Altromercato viele Veränderungen. Heute verwaltet die Genossenschaft die Anlagen selbst, verfügt über technisches Personal und führt die Qualitätskontrollen vor Ort selbst durch. Diese Phasen fanden früher in der Hauptstadt Quito statt. Die Zeiten, in denen sich die Bauern den Erpressungen der Zwischenhändler beugen mussten, sind vorbei. Fairer Preis ist heute ein Recht. Die Campesinos sind nicht mehr isoliert. Dulcita-Zucker wird in Europa als einer der besten handwerklich hergestellten Bio-Rohrzucker geschätzt.

Doch damit sind die Herausforderungen für Copropap nicht zu Ende. Eddy Cortès, der junge Vorsitzende von Copropap, hat weitere Herausforderungen zu bewältigen. An seiner Seite stehen der Biologe Inty Arcos, Koordinator der Mancomunidad (Koordination der Gemeinden des Reservats), Milton Arciniegas, Forstingenieur, und Richard Paredes, Vorsitzender des Gemeinderats von Pacto. Dabei handelt es sich um die Koordinatoren der „Frente antiminero“ von Pacto. Tödliche Angriffe auf Umweltschützer*innen haben in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. „Wir sind umgeben vom Regenwald“, erklärt der Biologe Inty Arcos. Da gibt es Flüsse, Wasserfälle und archäologische Stätten mit präinkaischen Überresten des Yumbo-Volkes, astrologische Zentren, Felszeichnungen und alte Pfaden, schmale Gräben, die die Anden mit der Küste verbinden und früher als Wege für schnelle Wanderungen dienten.

Das seien die Reichtümer dieser Region, die auf eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zählt, die im Einklang mit dem Biosphärenreservat steht und auf nachhaltigen Tourismus und Agrarökologie mit biologischem Zuckerrohranbau und Obstbäumen baut, erklärt Inty Arcos. „Dieser Teil des Ökosystems der westlichen Anden bewahrt endemische Pflanzenarten wie die Palmen, die Elfenbeinnüsse produzieren, und eine vom Aussterben bedrohte Art von Cherimoya-Früchten.“ Acht Prozent aller Säugetiere Ecuadors leben in dieser Region.

Pacto wird von einer autonomen Gemeinde verwaltet und ist Teil des Großstadtbezirks Quito (DMQ). Aufgrund des Wertes seines Ökosystems hat die Stadtverwaltung von Quito im Jahr 2011 die Mikro-Flussgebiete des Pacto zu Naturschutzgebieten erklärt. In der Erklärung wurde festgelegt, dass das Land als Gebiet für die Erhaltung und Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft, von Viehzucht und Agroforstwirtschaft genutzt werden soll. Außerdem wurde ausdrücklich verboten, nach nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen zu bohren.

„Schade, dass dieses Dekret in Vergessenheit geraten ist“, sagt Eddy Cortès, Präsident von Copropap. Im Jahr 2018 wurden in völligem Widerspruch und unter Missachtung des Anhörungsrechts der lokalen Bevölkerung in dem Gebiet mehrere Bergbaukonzessionen vergeben.

Das Ministerium für nicht erneuerbare natürliche Ressourcen hat der nationalen Bergbaubehörde (ENAMI) innerhalb des Biosphärenreservats zwei Bergbaukonzessionen erteilt: Urcutambo und Ingapi. Beide nahmen ihre Tätigkeit illegal auf, da sie keine Umweltlizenz besaßen. Das hat einen rechtlichen und sozialen Konflikt zwischen der nationalen und der lokalen Regierung ausgelöst, die gegen die Bergbauprojekte des Staates sind.

Die Konzessionen umfassen zusammen mehr als 4.600 Hektar und haben direkte Auswirkungen auf die Gemeinden von Pacto und die autonome Gemeinde Gualea. Neben den sozialen Auswirkungen und der damit verbundenen Abwanderung würde das Wassersystem des Chirapi-Flusses, zu dem die Flüsse Pishashi, Chulupe und Peripe sowie zwanzig Schluchten und Rinnen gehören, im Fall eines Abbaus irreparabel beschädigt. Besorgniserregend ist auch die unverhältnismäßige Wassernutzung, die das Wassersystem des Chirapi-Flusses irreparabel schädigen würde und den Gemeinden der Region und das Leben der 21.000 Menschen dort massiv beinträchtigen würde. Die Nationale Bergbaubehörde hat für die Ingapi-Konzession eine Wasserentnahme von mehr als 770.000 Litern pro Tag, fast 22 Millionen Liter pro Monat oder 522 Millionen in zwei Jahren geplant. Das ist etwa 14 Mal mehr Wasser, als in der gesamten Region in einem Jahr verbraucht wird. Weitere 350 Millionen Liter sind für Urcutambo geplant. Die beiden Bergbaukonzessionen werden das Wassersystem des Chirapi-Flusses mehr als 870 Millionen Liter Wasser kosten, fast 25 Mal so viel, wie der gesamte Großraum der Region Quito verbraucht – eine Auswirkung mit verheerenden Folgen für das Reservat.

"Wasser ist unser Leben. Wir sind Verteidiger*innen des Waldes, Nachfahren des Yumbo-Volkes, und wir werden unser Gebiet weiterhin friedlich verteidigen und vor Gericht gehen. Wir sind stolz darauf, Landwirte zu sein, die beweisen, dass eine nachhaltige Wirtschaft im Einklang mit dem Reservat möglich ist."
Eddy Cortès
Präsident von Copropap

Quellen​

• https://www.wisefood.eu/blogs/nachhaltig-verpackungen/wissenswertes-uber-zuckerrohr
• https://www.faz.net/aktuell/wissen/natur/die-dunkle-seite-des-zuckers-multimedia-reportage-ueber-die-abgruende-des-zuckerrohranbaus-in-brasilien-13515865.html
• 2021; https://www.wisefood.eu/blogs/nachhaltig-verpackungen/wissenswertes-uber-zuckerrohr
• Rimbach G. Lebensmittel-Warenkunde für Einsteiger. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg, 2010
• Ernst JB, Arens-Azevêdo U, Bitzer B, Bosy-Westphal A, de Zwaan M, Egert S, Fritsche A, Gerlach S, Hauner H, Heseker H, Koletzko B, Müller-Wieland D, Schulze M, Virmani K, Watzl B, Buyken AE für Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland. Bonn, 2018
• World Health Organization (Hg.) Guideline: sugars intake for adults and children. Genf, 2015
• aid Infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Zucker, Sirupe, Honig, Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe. 12. Aufl., Bonn, 2014
• (Verein der Zuckerindustrie e. V, 2021) https://www.zuckerverbaende.de/wp-content/uploads/2021/06/WVZ_VdZ_Jahresbericht_2020-2021.pdf
• Die Konsumgeschichte des Rübenzuckers und die Entwicklung seiner süßen Konkurrenten Saccharin und Rohrzucker – GRIN
• Geschichte des Zuckers | Südzucker AG (suedzucker.de)
• Zucker aus Zuckerrübe und Zuckerrohr – food-monitor
• Rübenzucker, Rohrzucker und Rohrohrzucker: Das sind die Unterschiede – Utopia.de
• Zucchero – Cure-Naturali.it
• Melasse als Zuckerersatz: So gesund ist sie wirklich (vital.de)
• Pro-Kopf-Konsum von Zucker – Deutschland | IBISWorld
• Thünen-Institut: Der Zuckermarkt in Zahlen (thuenen.de)